12.04.2016

Arbeiten an der und für die Basis

Seit dem 1. Januar 2016 ist Fifa-Schiedsrichter Sandro Schärer im 50%-Teilzeitpensum beim Fussballverband Region Zürich angestellt. Nebst weiteren Aufgaben hilft er da, wo es bei den Vereinen brennt: bei der Suche nach Schiedsrichtern. Eine 100-Tage-Bestandesaufnahme fällt an. Sandro Schärer, 27-jähriger Unparteiischer, kriegte nach Abschluss seines sechs Jahre dauernden Studiums ein Angebot für einen idealen Schritt ins Berufsleben. Ein Teilzeitpensum beim FVRZ war wohl gerade das, was er suchte. Eine ideale Herausforderung, die Erfahrung als Schiedsrichter dort einfliessen zu lassen, wo sie sowohl theoretisch wie praktisch als echte Hilfe empfunden wird. «Ich suchte eine Arbeit mit möglichst grosser Flexibilität, um bei meiner Leidenschaft ‹Schiedsrichter› keine Abstriche machen zu müssen. Und da mir der Verband keine Steine in den Weg legte, konnte ich zu diesem 50%-Angebot relativ schnell zusagen», erinnert sich Schärer ob seiner Überlegungen nach der ersten Anfrage. >>>MEHR

Negative Auswirkungen
Schärers Arbeitstitel ist mit «Projekt Entwicklung Schiedsrichter» zusammengefasst. Dies umfasst zwei Schienen: Zum einen die Basisarbeit der Mithilfe bei der Suche nach Unparteiischen, deren Aus- und Weiterbildung. Zum andern – nicht weniger wichtig – die Integration des Schiedsrichters in Spiel und Umfeld. Schärer: «Das Thema, wie mit Schiedsrichtern umgegangen wird, muss auch bei Trainern und Spielern Eingang finden. Es gibt viele, die nicht mal die gängigsten Regeln kennen. Die Tendenz, dass das Sezieren von Schiedsrichterentscheiden im Fernsehen so langsam, aber sicher zuweilen masslos übertrieben wird, findet bis hinab in den Breitenfussball negative Auswirkungen. Das kanns nicht sein; es erschwert die Aufgabe, Schiedsrichter zu finden, enorm.»
Dass der Unparteiische bei Fussballspielen ein «Mitspieler mit besonderer Aufgabe» wird: eine kaum je erfüllbare Utopie? Dass ausgerechnet jene Person, die – keiner «Partei» zugehörig – von beiden Seiten zuweilen als spielbeeinflussendes Element angesehen wird, sollte nachdenklich machen.
In ihren Entscheiden fehlerlose Schiedsrichter zu finden wäre genauso abstrakt wie den fehlerlosen Akteur. Die unterschiedliche Bewertung von «Fehler da» und «Fehler dort» könnte einen stutzig machen: Spieler haben meist eine Vorab-Absolution («gehört halt zum Fussball»), Schiedsrichter hingegen dürfen sich dies und jenes anhören, wenn Entscheidungen nicht so ausfallen, wie sie den (subjektiv) negativ Betroffenen nach deren Meinung zu fällen gewesen wären. Schärer: «Es wäre im Sinn aller Beteiligten, wenn der Fussball zumindest ansatzweise wieder zu einem ‹Erlebnis statt Ergebnis› mutieren könnte; auch bei jenen, deren Ehrgeiz zuweilen in einigen Bereichen überbordert.»

Hilfe für die Vereine
Die Schiedsrichtersuche ist ein wichtiger Bestandteil von Sandro Schärers Aufgabe. Der FVRZ hat so gut wie einen permanent unterbesetzten Stand an Unparteiischen. Viele Vereine können die Vorgabe nicht wie festgelegt erfüllen und zahlen dafür erhebliche Bussen. Eine Mitteilung an den Verband wird für Schärer zur Herausforderung, allerdings: «Glauben die Vereine, dass jetzt Schärer kommt und das Problem löst, dann stimmt dies so nicht. Ich fahre nicht mit drei Kandidaten im Auto zum vereinbarten Treffpunkt. Ich kann nur Hilfe geben, Tipps bekannt machen, abchecken, was der Club in diesem spezifischen Part bislang gemacht hat und noch machen könnte. Am Schluss bleibt die Aufgabe beim Verein.»
Sandro Schärers Berufsziel, Profi-Schiedsrichter zu werden, verbindet er mit der Erkenntnis, dass auch er seine Karriere im fast anonymen Breitenfussball startete. Auch wenn Fifa-Funktionäre zuweilen glaub(t)en, dass primär sie für «das Herz des Fussballs» stehen, ist dem nicht so. Die Basis auch dieses Sport ist dort, wo kaum jemand hinguckt und die ehrenamtlich Tätigen via ihrem Pulsschlag den Club am Leben erhalten und ihm stets von Neuem Leben geben.

Sandro Schärer
Geburtsdatum: 6. Juni 1988
Zivilstand: ledig
Beruf: 50% Schiedsrichter, 50% Leiter Projekt Entwicklung Schiedsrichter beim FVRZ
Studium abgeschlossen als: Bachelor/Master Sport und Geografie, Gymilehrer
Verein: FC Buttikon
Beginn der Schiedsrichter-Karriere: 2004
Super-League-Schiedsrichter seit: 2013
Fifa-Schiedsrichter seit: 2015
Hobbys: Fussball, Tennis, Eishockey


Sandro Schärer hat mit der Arbeit beim FVRZ einen idealen Einstieg ins Berufsleben gefunden.
(Bild: Bruno Füchslin, Medienberichterstatter FVRZ)