Kommentar (24.03.2023)
Von Ruck’n’Roll und Seelenlosen
von Bruno Füchslin, Medienberichterstatter FVRZ,
bfoxli@bluewin.ch
Der Besuch von Sportanlässen ist denen eines Casino-Besuchs sehr ähnlich. «Man» investiert ein paar Franken und hofft auf einen Gewinn in unbekannter Höhe. Dieser fällt – sofern er eintrifft – nicht monetär aus, sondern ist allein etwas «fürs Gmüet». Wenn jene, an die das Herz vergeben ist, gewinnen, ist die Welt für ein paar Augenblicke in Ordnung und hat sich die «Startgebühr» des Eintrittspreises gelohnt.
Andere sitzen zu Hause und gucken auf den möglichen Kanälen. Äusserlich zwar nicht dasselbe und um einiges bequemer, aber je nach Situation/Spielstand nicht minder spannend. Zusehende können sich notabene – je nach Reporter – mehr oder minder interessanten, zweckdienlichen oder gar fachkompetenten Erklärungen erfreuen. Gewiss: für die Kommentatorin/den Kommentator eine nicht immer leichte Aufgabe. Aber dennoch: wie viele Male einst gehörte Floskeln zur Wiederverwendung parat liegen, kann manchmal ein «nüd scho wider» entlocken.
Beispiele? «Es ging kein Ruck durch die Mannschaft». Kein Ruck’n’Roll. Wie sähe so einer aus? Alle sind wie vom Blitz getroffen und raffen sich kollektiv zu einer sichtbaren Steigerung auf? Es stürmen alle nach vorn? Aber sie machten dadurch eine neue Floskel auf – die daraus folgenden «Nadelstiche» des gegnerischen Teams. Weiss zwar nicht, was da genau gestochen wird – mit oder ohne Faden? Auf alle Fälle wären dies eher keine Nähmaschinen. Hoch in Mode ist auch der «Befreiungsschlag». Als Schalke 04 in der Saison 2020/21 sang- und klanglos aus der ersten Bundesliga relegiert wurde – von 34 Spielen 29 Mal auf dem letzten Rang klassiert; fünf Trainer «verschlissen» – schrieb das Boulevardblatt, dass «am nächsten Samstag der Befreiungsschlag ansteht». Dies bei einem damals aktuellen Punkterückstand von 18 Einheiten ... Was hätte da wohl «befreit» werden sollen?
Interessant und neu auf dem Tablett erschienen ist «die Zeit von der Uhr nehmen». Ja denn – wer kann wohl dieses Szenario erklären? Da kommt man wohl nur so heraus: Zuhörende wissen, was gemeint ist. Man muss ja vielleicht doch nicht alles wortwörtlich nehmen. Aber ein Unikat, das eher keine Nachahmer findet, soll diesen Kommentar abschliessen: «Er hat die Seele auf den Platz gelegt». Hoffentlich hat man sie – obwohl unsichtbar – gefunden und wieder in den Körper reingesteckt. Wer will schon seelenlose Fussballer sehen …